Am 16.10. fand Luckes erste Pflichtvorlesung „Makroökonomik II“ im Agathe-Lasch-Hörsaal des Hauptgebäudes statt. Der AStA hatte eine Protestkundgebung vor dem Gebäude angemeldet. Zu Beginn der Vorlesung verlagerte sich der Protest in den Hörsaal. Als Lucke die Bühne betrat, wurden zahlreiche Sprüche von den hunderten Protestierenden gerufen, einige die deutlich machten, dass rechte Lehre nicht akzeptiert wird und als Teil einer gesamtgesellschaftlichen Rechtsentwicklung gesehen wird. Einer wurde zuletzt bei den Protesten um den Völkerrechts-widrigen Angriffskrieg der Türkei in Rojava immer wieder gehört: „Alle zusammen gegen den Faschismus“. Andere wie „Nazi-Schweine raus aus der Uni“ waren vermutlich weniger berechtigt. Lucke verharrte auf der Bühne und schien die Parolen aussitzen zu wollen, daraufhin kam es zu körperlichem Kontakt mit einigen Protestierenden, von körperlicher Gewalt kann dabei aber nicht gesprochen werden. Er setzte sich daraufhin mitten in den überfüllten Hörsaal zwischen einzelne Studierende. Die Lucke-Show begann: Einige Studierende standen Lucke wohl politische nahe, andere trauten sich nicht sich wegzusetzen, da sie Angst vor Repressionen von „ihrem“ Professor hatten. Es flogen erste Papierkügelchen. Lucke wurde von den Protestierenden immer wieder aufgefordert den Hörsaal zu verlassen. Er blieb sitzen, setzte scheinbar auf eine weitere Eskalation. Wie erst nach der Vorlesung bekannt wurde, befand sich zu diesem Zeitpunkt längst ein Teil einer Hundertschaft der Polizei hinter der Hintertür des Hörsaals und war bereit den Protest aufzulösen. Dieser vorbereitete Einsatz wurde im Vorhinein mit der Universitätsleitung abgesprochen und stellt ein Novum da. Viele Jahre lang wurden Polizei-Einsätze zum Auflösen von Protesten an der Uni prinzipiell abgelehnt. Erst nach dem Lucke erneut damit scheitert eine Ansage zu machen, verlässt er das Gebäude und wird von der Polizei zum Dammtor-Bahnhof gebracht. Die Universitätsleitung kritisiert Lucke im Nachhinein für sein Verhalten: „Darüber hinaus wurde Prof. Dr. Lucke schriftlich vor der Vorlesung darauf hingewiesen, dass er als Veranstalter die Verantwortung trägt und im Falle von Überfüllung die Veranstaltung abzubrechen hat. Diese Anweisung hat Herr Lucke nicht befolgt, sondern ist vielmehr im Raum verblieben, indem er sich unter die Studierenden seiner Vorlesung gesetzt hat“.[1] Lucke nutzte außerdem bereits vor der ersten Lehrveranstaltung und danach weiterhin seine Möglichkeit Mails über STiNE zu verschicken, die nicht nur organisatorische Funktion hatten, sondern auch explizit politische Einordnung der eigenen Person und Bewertung des Protests beinhalteten. Nach der Vorlesung gab es die bekannte mediale Entrüstung, in der insgesamt aber auch durch Lucke selbst eine Selbstgleichsetzung mit Juden und Jüdinnen im Nationalsozialismus stattfand [2]. Den AStA, der die Kundgebung zur ersten Vorlesung anmeldet hatte, erreichte zahlreiche Drohmails aus dem rechten Spektrum. Er beteiligte sich nicht an der Planung weiterer Proteste. [3]
Die zweite und auch alle folgenden Vorlesungen Luckes wurden aus Sicherheitsgründen in den Anna-Siemsen-Hörsaal (VMP8) verlegt. Dort wurde die zweite Vorlesung durch einen privaten Sicherheitsdienst geschützt, es gab Einlasskontrollen und nur zu den Veranstaltungen angemeldete Studierende hatten Zugang zum Hörsaal. Auch das ist ein Novum, da hier die Freiheit des Studiums eingeschränkt wurde, denn prinzipiell gilt: Veranstaltungen sind hochschulöffentlich. Ein weiteres Novum war der mutmaßliche Einsatz von Zivilpolizei im Gebäude der Erziehungswissenschaft, der als Eingriff in die Wissenschafts- und Meinungs-Freiheit gewertet werden kann. Hinter dem Gebäude fand eine Protestkundgebung mit zahlreichen kritischen Redebeiträgen zur weiteren Lehrtätigkeit Luckes und seiner Verantwortung statt. Die Vorlesung selbst konnte aufgrund der Einlasskontrollen erst verspätet beginnen und wurde nach ca. 45 Minuten abgebrochen, da eine Gruppe von Protestierenden durch die körperliche Auseinandersetzung mit dem Sicherheitsdienst in den Hörsaal gelangte.
Am darauffolgenden Donnerstag gab es eine Bombendrohung für das Uni-Hauptgebäude mit rechtem Hintergrund. Da dort u.a. der Akademische Senat tagen sollte, ist ein Zusammenhang mit der Causa-Lucke nicht ausgeschlossen.
Wie geht es weiter?
Nach bisherigem Stand wird die Vorlesung weiterhin stattfinden. Es wurde ebenfalls erneut eine Protestkundgebung für kommenden Mittwoch angemeldet.
[1]
https://www.uni-hamburg.de/newsroom/im-fokus/2019/1022-fragen-antworten-lucke.html
[2]
https://www.tagesspiegel.de/politik/bernd-lucke-zieht-kruden-vergleich-frueher-als-judensau-beschimpft-heute-als-nazischwein/25131218.html
[3] https://www.asta.uni-hamburg.de/1-ueber-uns/1-news.html
Zur Causa Lucke - Teil III (27. November 2019)
Zur Causa Lucke - Teil II (08. November 2019)