CampusGrün Hamburg

Tätiges Erinnern an den Putsch gegen die Unidad Popular und Salvador Allende

Eingereicht von den Gruppen SDS*, Liste LINKS, harte zeiten, CampusGrün, UKElerVereint in den Ausschuss gegen Rechts des Studierendenparlaments. Beschlossen vom Studierendenparlament in der Sitzung am 30. August 2018. Flugblatt des Ausschuss gegen Rechts:

Wir rufen auf zur Teilnahme an der Gedenkveranstaltung am Allende Platz, am 11.09.18 um 16 Uhr. Es wird Musik, Bild- und Redebeiträge geben.



„Unsere Hoffnung ist, eine Welt zu schaffen, die die Trennung zwischen arm und reich überwindet und in unserem Fall eine Gesellschaft schaffen, in der der Krieg um wirtschaftliche Vorteile verboten ist, in der weder der Kampf um berufliche Vorteile Sinn macht, noch die Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal anderer, die es den Mächtigen ermöglicht die Schwachen auszubeuten.“ (Salvador Allende, erste Kongress-Rede als Präsident Chiles, 21. Mai 1971)

„Putsch in Chile ist für Banken positiv – In Südamerika kann wieder investiert werden.“ (Gerhard Liedtke, Dresdner Bank AG)

„Angesichts des Chaos, das in Chile geherrscht hat, erhält das Wort Ordnung für die Chilenen plötzlich wieder einen süßen Klang.“ (Franz Josef Strauß, CSU-Politiker und späterer Kanzlerkandidat, im Bayernkurier am 22. September 1973)

Am 11. September jährt sich der Putsch gegen die sozialistische Regierung Salvador Allendes in Chile zur Errichtung einer neoliberalen Militärdiktatur zum 45. Mal. Wir wollen aus diesem Anlass erinnern an die Leistung der Unidad Popular und die Opfer der Militärdiktatur. Und für heute Konsequenzen ziehen: „International Solidarisch – Schluss mit Austerität“!

Vor Beginn des sozialistischen Umbaus galten bei zehn Millionen Einwohner*innen in Chile 1,5 Mio. Kinder als unterernährt und 500.000 Familien waren obdachlos. 80 Prozent des Nutzlandes befanden sich in der Hand von 4,2 Prozent der Grundeigentümer. In dieser Situation errang die Unidad Popular mit Salvador Allende 1970 die Präsidentschaft in offenen Wahlen. In der folgenden Regierungszeit wurden u.a. die Bodenschätze verstaatlicht, ausländische Großunternehmen und Banken enteignet, 20.000 km² Land von Großgrundbesitzer*innen an Bäuer*innen und Kollektive übergeben, die Preise für Miete und wichtige Grundbedarfsmittel staatlich festgelegt und Bildung sowie Gesundheitsversorgung kostenfrei. Die Folgen waren im ersten Jahr steigende Löhne, Gehälter, Renten und Konsumausgaben, sinkende Inflation und Erwerbslosigkeit und eine Einkommensumverteilung von Oben nach Unten. Die Unterernährung wurde mit deutlichem Erfolg zurückgedrängt und dem Analphabetismus der Kampf angesagt.

Ab dem ersten Tag der Präsidentschaft Allendes unterließ das ökonomische und politische Establishment des Westens kein Bemühen, die Souveränität Chiles anzugreifen. Ausgehend von der Regierung der USA wurde versucht, die (post)koloniale, imperiale Weltordnung durch ein gnadenloses Kredit- und Handelsembargo, Geheimdienstoperationen inklusive Mordanschlägen und die Unterstützung rechter Gruppen und Militärs im Inland aufrechtzuerhalten. Dies drängte Chile an den ökonomischen und politischen Existenzrand. Am 11. September 1973 putschte der General Augusto Pinochet mit Unterstützung der CIA und errichtete eine faschistoide Militärdiktatur. In den ersten Wochen der Militärdiktatur wurden über 3000 Linke ermordet, oppositionelle Presse unterdrückt, Zehntausende gefoltert, verschleppt und ins Exil getrieben. Wirtschafts- und sozialpolitisch wurde fortan von den „Chicago Boys“ – einer Gruppe von chilenischen Schülern des monetaristischen Ökonomen Milton Friedman – ein neoliberales Experiment blutig durchgesetzt. Finanz- und Arbeitsmarkt wurden dereguliert, Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Organisationen verboten, nahezu alles privatisiert (inklusive Bildung, Rente und Gesundheit), ein ruinöser Freihandel etabliert und der Sozialstaat amputiert. Protegiert wurde dies vom weltweit bedeutendsten neoliberalen Thinktank, der Mont Pèlerin Society. Dessen Gründervater, Friedrich August von Hayek, rechtfertigt die Etablierung einer Diktatur, wenn diese vorübergehend zur Durchsetzung „wirtschaftlicher Freiheit“ nötig sei: „Die einzig gültigen moralischen Maßstäbe für die ‚Kalkulation des Lebens‘ können […] nur das Privateigentum und der Vertrag sein.“ (Interview in El Mercurio, 19.4.1981) Damit ist der Putsch gegen die sozialistische Regierung in Chile und die Errichtung der neoliberalen Militärdiktatur ein experimenteller Vorläufer für die neoliberale Aggression in den USA (Reagan) und Großbritannien (Thatcher) in den 80er Jahren, welche nach den Konsequenzen aus der Befreiung vom deutschen Faschismus und dem 68er-Aufbruch die gesellschaftliche Linke und den Sozialstaat zerstören wollte.

Warum war das chilenische Beispiel für die Herrschenden so gefährlich? In seiner ausführlichen Rede an die Vereinten Nationen am 4. Dezember 1972 geißelt Salvador Allende scharf den globalen Imperialismus von US-Regierung und multinationalen Konzernen. Er endet mit den Worten: „Es sind die Völker, alle Völker südlich des Rio Bravo, die sich erheben, um zu sagen: Schluss! Schluss mit der Abhängigkeit! Schluss mit der Unterdrückung! Schluss mit der Einmischung! Sie erheben sich, um das Souveränitätsrecht aller Entwicklungsländer zu bekräftigen, frei über seine Bodenschätze verfügen zu können.“ Der kraftvolle Versuch der chilenischen Bevölkerung, ihre Geschicke selbst in die Hand zu nehmen, aus kolonialer und imperialistischer Abhängigkeit und Ausplünderung auszubrechen, brachte ein kapitalistisches Weltsystem ins Wanken, das auf der Ausbeutung von Milliarden Menschen und deren natürlichen Ressourcen durch eine kleine Gruppe von Kapitalbesitzern beruhte. Dass diese Milliarden sich ihrer Handlungsmacht bewusstwerden und dieser Erkenntnis Taten folgen lassen, ist der Wendepunkt der Geschichte. Damals wie heute. Genau das machte und macht den Herrschenden Angst.

Der chilenische Weg zum Sozialismus gelang auf Basis breiter gesellschaftlicher Bündnisse – von Indígenas bis katholischen Humanist*innen, von Maoist*innen bis Sozialdemokrat*innen – in aufklärerischer Auseinandersetzung und durchgesetzt in demokratischen Wahlen. Dies bildet bis heute weltweit Faszination und Hoffnung auf die soziale Realisierung der Menschenwürde.

Eine solche solidarische Perspektive realisieren wir in der alltäglichen Organisierung für Verbesserungen in Schule, Hochschule oder Betrieb. In diesem Sinne haben sich Teile der Verfassten Studierendenschaft zusammengeschlossen in der Kampagne „International Solidarisch – Schluss mit Austerität“, um der kulturellen Bescheidenheitsverordnung und ökonomischen Erdrosselung ganzer Ökonomien durch Schuldenbremse und Fiskalpakt ein Ende zu setzen! Und zwar explizit hier im Herzen der imperialistischen Bestie. Wir sind die Alternative zur Alternativlosigkeit. Und die Geschichte lehrt uns: Venceremos!