Demo-Rede (11.2.2021) – Solidarität mit der Studierenden an der Boğaziçi-Universität
Liebe Freundinnen und Genossinnen, liebe Öffentlichkeit, Die aktuellen Ereignisse an der Istanbuler Boğaziçi-Universität führen uns zunächst nochmal zurück in die jüngsten Diskussionen in der deutschen Hochschullandschaft. Wer z.B. im Herbst 2019 meinte, den öffentlichen Mob auf Seiten Bernd Luckes unterstützen müssen, muss jetzt feststellen, dass er sich vor den Karren rechter Ideologie und Politik spannen lassen hat. Denn hier ging es nie wirklich um Wissenschaftsfreiheit. Sondern um die Frage, ob rechten Politikern und ihren Äußerungen von wissenschaftlich längst erledigten menschenfeindlichen Meinungen die Bühne - und damit den Schein der Wissenschaftlichkeit überlassen werden soll.
Eine Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit lässt sich dagegen gut durch den Anlass unserer heutigen Demonstration definieren: Ersetzung der Universitätsleitung durch einen Politiker der herrschenden Partei, Androhung der staatlichen Verfolgung von oppositionellen Mitgliedern der Universität, Niederschlagung von Protesten und damit der Verlust demokratischer Gundrechte auf dem Campus - und schlussendlich für die Betroffenen Angst um ihre körperliche Unversehrtheit und sogar ihr Leben. Gute Gründe dafür, damit wir uns hier und heute solidarisch mit den Protesten der betroffenen Kommilitoninnen und Wissenschaftlerinnen in Istanbul zeigen und überlegen, wie wir den Druck auf das AKP-Regime auch hier in Deutschland erhöhen können.
Und auch für uns ist es wichtig in internationaler Solidarität und Vernetzung die Auseinandersetzung um Wissenschaftsfreiheit ernst zu nehmen. Nicht wegen Lucke, sondern weil es in ganz Europa verschiedene Tendenzen gibt, die die Freiheit an Universitäten angreifen. So soll in Athen bald eine Campus-Polizei das Leben auf dem Campus überwachen und auch hier in Deutschland gibt es Gründe zur Sorge: Die Wissenschaft entfernt sich durch die wachsende Abhängigkeit von Drittmitteln - und damit auch von Kapital-Interessen - immer weiter von ihrem Inhalt: Der kooperativen Arbeit zur Verbesserung der Lebensverhältnisse auf diesen Planeten. Gleichzeitig haben wir es mit Angriffen auf Wissenschaftlerinnen durch Corona-Leugnerinnen und Angriffe auf demokratische Hochschulen durch neue Hochschulgesetze und rechte Professorinnen zu tun.
Wenn wir hier also heute in Solidarität mit den Kommilitoninnen und Kolleginnen zusammenkommen, dann zeigen wir damit nicht nur, dass wir ihre Kämpfe sehen, sondern, dass wir diese Kämpfe mit unseren zu verstrickt wissen! Es geht uns nicht um Lippenbekenntnisse oder Symbole der Betroffenheit - Nein. Für uns bedeutet es, noch einmal nachdrücklicher hier den rechten Kräften für befreite Kritische Wissenschaft entgegenzutreten.
Die Auseinandersetzungen unserer Istanbuler Genoss*innen verdeutlichen, wie wichtig Organisierung ist, um der Reaktion und Repression der kapitalistischen Logik entgegen treten zu können: Dadurch, dass wir gemeinsam mit aktiven Kommilitoninnen weltweit Utopisches praktisch machen, in dem wir Strukturen organisieren, die radikaldemokratische Wissenschaft und solidarische Bildung ermöglichen. Wo sie uns spalten, treten wir näher zusammen. Wo sie uns handlungsUNfähig machen wollen, entwickeln wir kollektive Schlagkraft. Hoch die internationale Solidarität!