CampusGrün Hamburg

Rede zum feministischen Kampftag (8. März 2021)

Zur Situation der Queer - und Gender-Studies in Hamburg

Clara Zetkin, die den heutigen Frauenkampftag etablierte, würde sich im Grab umdrehen, wenn sie von der aktuellen Situation der Gender – und Queerstudies in Hamburg hören würde. War ihr doch bereits klar: Ohne politische Bildung anhand theoretischer Grundlagen kommt man nicht weit mit dem feministisch-proletarischen Kampf. Nun ist es nichts Neues, dass die Hamburger Hochschullandschaft schon immer darin versagt hat, Wissenschaft als Stütze für ebendiesen Kampf zu betrachten. In diesem Terrain hatte es demnach auch die feministische Lehre und Forschung zu keinem Zeitpunkt leicht, in Hamburg anerkannt zu werden. Allerdings wäre es falsch zu behaupten, dass es historisch nie Anstrengungen darum gegeben hätte, sie zu etablieren!

So hat die marxistische Feministin Frigga Haug Anfang der 80er an der ehem. HWP ein Seminar erkämpft, in dem "historisch-funktional die Ursachen von Frauenunterdrückung herausgearbeitet" und diskutiert wurden. Parallel dazu organisierten Studentinnen gut besuchte feministische Aktionswochen, in denen sie sich selbst Zugang zu Theorien verschafften, die sonst in ihrem Studium so gut wie gar nicht vorkamen. 1990 entbrannte dann die Debatte um Butlers postmodernere Theorien: die binäre Geschlechtsordnung wurde plötzlich hinterfragt. Das Interesse der Studis an queer-feministischer Theoriebildung wuchs so stark an, dass ihnen die vereinzelten Seminare zum Thema nicht mehr ausreichten. Der Wunsch nach ihrer institutionellen Etablierung verleitete sie zur kämpferischen und ausdauernden Praxis: zusammen mit den wenigen kritischen Profs und der „Koordinationsstelle Frauenstudien“ schafften sie es Anfang der 2000er den Master – und Nebenfachstudiengang Gender – und Queerstudies zu starten – und das entgegen allem Widerstand von Seiten der Uni-Leitung! Mit dem Regierungswechsel von Rot-Grün hin zu CDU, FDP und rechtskonservativer Schill-Partei wurde diesem jedoch nach wenigen Jahren bereits wieder die Finanzierungsgrundlage entzogen. Ein Umstand, dem die dominierenden konservativen Profs an der UHH gewiss nicht hinterhertrauerten. Hatten sie doch bereits die geplante Professur für Queere Thematiken als "unwissenschaftlich" und "unrelevant" beschimpft – ebenso, wie man es heute noch oft von AfD und Co zu hören bekommt.

Sie hatten nicht verstanden – oder: wollten nicht verstehen - dass von der Frauenforschung eine Kritik ausgeht, die auf einen radikalen Paradigmenwechsel setzt, ja auf das Neudenken der Wissenschaftssysteme im Ganzen, wie Frigga Haug schrieb. Genau das wird jedoch innerhalb der aktuellen Hegemonielage nicht gewollt, stattdessen wird die Institution Hochschule immer weiter in das neoliberale Schema integriert. Durch das Kaputtsparen und die Fokussetzung auf ruhmbringende Exzellenzinitiativen wird der feministischen Wissenschaft aktuell kein Platz mehr zugestanden. Zumindest nicht in seiner institutionalisierten Form: So wurde aus dem Vorlesungsverzeichnis innerhalb der letzten 10 Jahre knapp 50% der Gender- und Queer-Veranstaltungen weggegekürzt. Klar gibt es hier und da komplett überfüllte Seminare, wo irgendwie über „Frauen“ geredet wird, noch seltener sogar über queer-feministische Ansätze. Aber diese vereinzelten Phänomene braucht die neoliberale Hochschule halt auch, um die Kritik an ihr klein zu halten…

Was nach der Absage an den Queer – und Genderstudiengang glücklicherweise noch erhalten blieb, war die studentisch organisierte Vorlesung „Jenseits der Geschlechtergrenzen“ sowie das hochschulübergreifende Zentrum GenderWissen, welches mitunter auch die GenderBiB organisierte. Als es nun im letzten Jahr so aussah, als sollte die Stelle der Leiterin des Instituts (Dagmar Filter) nicht wiederbesetzt werden, organisierten sich Studis in der Gruppe „Queering Academia“ sowie aus verschiedenen Fachschaftsräten und leisteten dem Zerfall des Zentrums Widerstand. Mit Erfolg – eine der wenigen Strukturen, die den Zugang zu queer-feministischer Wissenschaft hamburgweit sichert, bleibt vorerst erhalten. Doch bei diesem Erfolg darf es nicht bleiben: Kämpfen wir weiterhin gemeinsam für eine institutionalisierte kritische Genderforschung, die die kapitalistisch-patriarchale Ordnung an Hochschulen sowie gesamtgesellschaftlich angreift!