CampusGrün Hamburg

CampusGrün Hamburg positioniert sich gegen die Entscheidung der Universität Hamburg, alle Veranstaltungen an der UHH im Wintersemester 2020/21 in Präsenz zu untersagen

Am 30.10. wurde durch einen Brief des Präsidiums an alle Studierenden und Mitarbeitenden der UHH bekannt gegeben, dass die bisher unter aufwendigen Hygienekonzepten in Präsenz oder als Hybrid geplanten Vorlesungen und Seminare im WiSe 2020/21 nun doch alle vorerst digital stattfinden werden. Lediglich Labor- und Schulpraktika sollen weiterhin vor Ort stattfinden. Dabei hatte die Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank in der Pressekonferenz desselben Tages noch ausdrücklich betont, dass das Semester auch im lockdown light in hybrider Form geplant ist und auf die erarbeiteten Hygienekonzepte verwiesen [1]. Die Entscheidung, nun entgegen dieser Aussage doch weitestgehend auf Präsenzlehre zu verzichten, kommt für uns Studierende sehr überraschend. Sie wurde auf undemokratische Weise aus dem Präsidium der Universität getroffen - noch nicht einmal das höchste Gremium der akademischen Selbstverwaltung (der Akademische Senat) wurde in diesen Beschluss mit einbezogen.

Diese Entscheidung zeugt somit eher von einer panischen Simulation von Handlungsfähigkeit als von einer rationalen Abwägung, wie es für eine Universität eigentlich selbstverständlich sein sollte.

Uns ist bewusst, dass die Infektionszahlen deutschlandweit und auch in Hamburg in drastischer Weise steigen - und dass entsprechende Maßnahmen getroffen werden müssen. Aber warum die Schließung gerade u.a. in Universitäten stattfinden muss, in denen über ein halbes Jahr lang Hygienekonzepte entworfen wurden, (Hybrid-Formate, 30 statt 800 Personen im Hörsaal, Infektionsketten-Nachverfolgung, etc.) ist nicht nachvollziehbar. In anderen Hochschulen Hamburgs und bundesweit wird Präsenzlehre genauso ermöglicht. Der Entscheidung über eine Komplett-Schließung an der UHH hätten zunächst weitere - demokratisch verhandelte - Schritte vorausgehen müssen: Warum wurde nicht zunächst über eine vollständige Maskenpflicht nachgedacht? Diese und ähnliche Überlegungen sind für Büros, Fabriken und Schulen scheinbar selbstverständlich möglich; Warum dann wurden sie für die Universität in den letzten Tagen noch nicht einmal öffentlich diskutiert?

Wir denken, dass hybride Lehrveranstaltungen dringen notwendig sind. Und: Wir halten noch ein reines Online-Semester für unzumutbar. Neben Herausforderungen mit der für ein digitales Semester notwendigen technischen Ausstattung ist online kaum kooperatives Lernen möglich: Die Studierenden sehen sich erneut einem Alltag gegenüber, welcher fast ausschließlich aus einem vereinzelten Lernen vor dem Computer, Lohnarbeit und sozialen Ängsten besteht. Nebenbei ist jedoch das Arbeitspensum und auch der Lernstoff, durch Lerntagebücher und andere Formen des Leistungsnachweises häufig mehr geworden. Das führt oft zu einer grundlegenden Überforderung mit den Anforderungen des Studiums und Belastung der insbesondere psychischen Gesundheit. Vor allem von Erstsemester-Studierenden hören wir in letzter Zeit von frühzeitigen Studienabbrüchen, da der Einstieg in das Studium unter der gegeben Vereinzelungs-Situation als frustrierend empfunden wurde.

Dabei ist gerade in Krisenzeiten eine aktive, kooperative und engagierte Wissenschaft notwendig. In Zusammenarbeit verschiedenster Disziplinen sollten wir die Analyse der aktuellen gesellschaftlichen Krise unterstützen und die Rationalisierung auch über die technokratische naturwissenschaftliche Ebene hinaus vorantreiben. Die (Selbst)-Bildung aller Universitätsmitglieder hin zu mündigen Persönlichkeiten ist insbesondere auch in pandemischen Situationen eine besonders bedeutende Aufgabe von Universitäten. Diese Aufgabe an sich ist nicht verhandelbar.

In diesem Zusammenhang verweisen wir auch auf den offenen Brief, der von Mitarbeiter*innen der Universität verfasst wurde und dessen Inhalt wir zustimmen [2].

Quellen:

[1] Pressekonferenz zu #CoronaHH am 30.10.2020: https://www.youtube.com/watch?v=FKe90U0BcGs&feature=youtu.be&t=792 [2] https://www.openpetition.de/petition/online/die-geplante-praesenzlehre-im-wintersemester-ermoeglichen