Für die gemeinsame Ausgestaltung einer Universität, die gesellschaftliche Verantwortung übernimmt und die ihre Mitglieder befähigt, dies ebenfalls zu tun, sind unter anderem die materiellen Grundlagen dieser Institution essentiell. Das heißt konkret: Eine Universität, die sich am Allgemeinwohl orientiert, stellt auch in ihrer baulichen Ausgestaltung den Menschen in den Mittelpunkt. Emanzipatorische Bildung ist nur dann möglich, wenn egalitäre Lehr-Lern-Verhältnisse auch durch eine entsprechende bauliche Umsetzung unterstützt werden. Freiheit, Gleichheit und Solidarität als Ideal zwischenmenschlichen Zusammenlebens drückt sich auch in einer Architektur aus, die sich nicht über den einzelnen Menschen erhebt - und einem Bauprozess, der demokratisch, partizipativ und auf Augenhöhe stattfindet. Freiheit von gesellschaftlichen Zwängen, die kritische Wissenschaft ermöglicht, nehmen auch durch eine räumliche Umgebung, die als freiheitlich wahrgenommen werden kann, Gestalt an.
Demgegenüber gleicht die Uni für viele aktuell einem Flickenteppich. Die baulichen Mängel scheinen exponentiell zuzunehmen und Renovierungen, Sperrungen und Umzüge machen den studentischen Alltag zu einem Hindernisparcours. In der Summe entsteht der Eindruck, dass in einer Zeit modernster Technologien ausgerechnet die basalste technische Errungenschaft der menschlichen Zivilisation – das Dach über dem Kopf – dem Menschen den Dienst verweigert. Bauten sind allerdings offensichtlich keine Subjekte, ihre Dysfunktionalität muss also von Menschen gemachte Ursachen haben. Der (gewollte) Eindruck „feindlicher Bauten“, die als Sachzwang über uns kommen, verschleiert lediglich die gesellschaftlichen Konflikte um die Frage, was wann wo wie und in welchem Interesse gebaut wird. Bauliche Auseinandersetzungen sind also politischer Natur – und wir als Studierendenschaft haben gute Möglichkeiten, um die zugrundeliegenden gesellschaftlichen Konflikte zusammen mit anderen Mitgliedergruppen der Universität für uns zu entscheiden. Die progressive Entwicklung der Universität und die einer progressive Entwicklung des Campus gehen Hand in Hand.
Anhand einer aktuellen Auseinandersetzung wollen wir diesen Punkt deutlich machen und hieraus politische Schlussfolgerungen ziehen:
Der Philosophenturm und das Interimsquartier Überseering
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Der Philturm wurde jahrelang auch aufgrund der
allgemein-vorherrschenden Unterfinanzierung der Universität nicht
ausreichend saniert und die angesammelten Baumängel führen zu der
aktuell notwendigen Komplettsanierung. Da auch die jetzigen
Sanierungskosten nicht tragbar für den Universitätshaushalt sind,
wurde – statt einer besseren Gesamtfinanzierung – von Seiten der
Stadt Hamburg das sogenannte Mieter-Vermieter-Prinzip durchgesetzt.
Dabei verkaufte die Universität bzw. die Stadt Hamburg, das Gebäude
an eine GmbH und mietete es später wieder an. Bei dem Unternehmen
handelt es sich aber um die stadteigene Sprinkenhof GmbH. Dieses
scheinbar sinnlose Verfahren, das unter dem Begriff
„Public-Public-Partnership“ zusammengefasst wird, ermöglicht der
Stadt trotz der in der Verfassung geregelten Kürzungspolitik (die
die „Schwarze Null“ durchsetzen soll) Investitionen außerhalb des
Haushaltetats umzusetzen, denn: Die Sprinkenhof GmbH wird zwar von
der Stadt betrieben, kann aber anders als öffentliche Einrichtungen
Kredite aufnehmen. Der Philturm wurde also an die Sprinkenhof
verkauft, damit diese aus Krediten die Baumaßnahmen finanzieren
kann. Die entstehenden Schulden der Sprinkenhof werden dann
wiederum aus den Mietkosten für die Universität getilgt. Nach
diesem Prinzip werden derzeit zahlreiche städtische Gebäude saniert
beziehungsweise gebaut. Zwei wesentliche Effekte des
Mieter-Vermieter-Modells sind damit aber noch nicht erwähnt: So
nimmt zum einen der Hamburger Senat hin, dass der öffentliche Bau
entdemokratisiert wird. Zahlreiche Entscheidungsgewalten liegen
nicht mehr bei den gewählten Vertreter*innen in Verwaltung und hier
speziell in der Universität, sondern bei den Vertreter*innen der
Sprinkenhof. Zum anderen bedeutet eben genau das, dass die Gebäude
in Zukunft Nutzer*innen-entkoppelt gebaut, saniert und verwaltet
werden. Was das wiederum heißt, lässt sich dann exemplarisch an der
Auswahl des Gebäudes Ü35 als Interimsquartier erkennen, das
ebenfalls über die städtische GmbH angemietet wurde. Während der
Philturm explizit als Universitätsgebäude mit demokratischem
Anspruch für die Wissenschaft gebaut wurde, handelt es sich beim
Ü35 um ein Bürogebäude leistungsorientierter und
konkurrenzgeleiteter Konzerne, das Sicherheit u.a. vor vermuteten
Anschlägen der RAF bieten sollte. Wo der Philturm offen für alle
Hamburger*innen war, ist das Ü35 nur für Uni-Mitglieder, bzw.
Menschen mit Zugangskarte über eine sogenannte Vereinzelungsanlage
zugänglich. Wo die Fassade des Philturms durch ihre Struktur den
Menschen bewusst größer und das Gebäude kleiner hat wirken lassen,
wirkt das Ü35 einschüchternd und riesig: Ein Gebäude, das vor allem
Macht ausstrahlen soll, erfüllt eben auch architektonisch andere
Voraussetzungen als ein universitärer, ein demokratischer Bau. Im
Gegensatz zum Philturm, bei dem als öffentliches Gebäude 1% der
Baukosten für "Kunst am Bau" zur Verfügung festgeschrieben sind,
entfällt dieses Element, wenn die Uni - wie beim Ü35 - nur noch
Mieterin eines Gebäudes ist. Das Mieter*innen-Modell wirkt also
auch in diesem Kontext dekultivierend. Und auch die Lage: Die Uni
ist mehr als Lohnarbeit, sie sollte Stadtzentrum, Ort der
Diskussion für alle und deshalb auch gut erreichbar sein. Während
der Philturm kulturelles Zentrum auf dem Campus war, meiden die
Studierenden das Interimsquartier und dessen Mensa.
Daraus ergibt sich für uns Folgendes:
Die Zukunft ist allgemeinwohlorientiert - oder sie ist nicht (15. November 2018)