Wir halten diesen Grundsatz für offensichtlich und unumstößlich: Alle Menschen sind gleich. Gleichheit bedeutet für uns: Die Überwindung jeglicher struktureller Ungleichheit, die in der Gesellschaft existiert. Gleichheit bedeutet für uns: Die Überwindung jeglicher Ideologien, die die Ungleichheit von Menschen propagieren und damit stabilisieren. Gleichheit bedeutet für uns: Nachhaltigkeit, also nicht nur die Gleichheit aller heutigen Menschen, sondern die Gleichheit aller Menschen in jeder Region der Erde, heute und für alle zukünftigen Generationen. Gleichheit bedeutet für uns: Die Freiheit jeder*s Einzelnen, nicht nur im Sinne einer erlaubenden, sondern auch im Sinne einer ermöglichenden Freiheit. Dies bedeutet zum Beispiel nicht, dass jede*r per Gesetz das Recht hat, reich zu erben, sondern dass allen die Möglichkeit gegeben sein sollte, sich unabhängig vom Reichtum ihres*seines Elternhauses zu entfalten. Gleichheit bedeutet für uns: Solidarität, also das praktische Handeln nach der Maxime der Gleichheit aller: im Privaten, innerhalb unseres Zusammenschlusses als Hochschulgruppe und in unserem (politischen) Handeln nach außen.
Auch wenn die verschiedenen Ungleichheitsstrukturen uns als vermeintlicher Sachzwang begegnen, ist es für uns wichtig, dass sie menschengemacht sind und deshalb auch von Menschen in gemeinsamer, solidarischer Anstrengung überwunden werden können. Die Überzeugung von der gemeinsamen Handlungsfähigkeit beinhaltet für uns, den Menschen als gesellschaftliches Wesen zu betrachten. Der Mensch ist niemals autark handelndes, egoistisches Individuum, das sich als Konkurrent*in jeder*s anderen sieht, sondern wird erst durch Gesellschaft und deren grundsätzlich positive Bedeutung für sich selbst zum Menschen. Diese Überzeugung beinhaltet weiterhin den Appell an alle - nicht nur an uns selbst - gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Die stillschweigende Tolerierung von Ungleichheit bedeutet aus unserer Sicht, deren Fortbestehen zu gewährleisten.
Wir glauben nicht an die schlagartige Überwindung jeglicher Ungleichheit auf einmal, sondern kämpfen für die Transformation der heutigen, von vielen Ungleichheiten geprägten Gesellschaft in eine „Gesellschaft der Freien und Gleichen“. Deren konkrete Ausformung beziehungsweise Organisation wird sich erst im Prozess ergeben - auch weil die Distanz zu jeder möglichen utopischen Form des Zusammenlebens so groß ist, dass sie unserer Vorstellungskraft wie auch wissenschaftlichen Erkenntnissen Grenzen setzt. Klar ist für uns aber, dass die „Gesellschaft der Freien und Gleichen“ den gegenwärtigen Ungleichheitssystemen, neben vielen anderen zum Beispiel Kapitalismus und Patriarchat, entgegenstehen muss. Das bedeutet auch, dass diese Gesellschaft nur gegen vermeintliche Sachzwänge und organisierte Einzelinteressen erkämpft werden kann.
Für unsere konkrete Arbeit als Verfasste Studierendenschaft bedeutet dies: Wir verstehen uns als Teil einer gesamtgesellschaftlichen Emanzipationsbewegung, die gegen gesellschaftlich gemachte bzw. nicht verhinderte Ungleichheit in jeglicher Form kämpft. Für uns ist dabei wichtig, die diversen Ungleichheiten nicht als einzelne, sondern intersektional zu bekämpfen, weil diese untereinander systemisch verschränkt und ideologisch verwandt sind. Die Bekämpfung nur einer spezifischen Ungleichheit bleibt dadurch immer inkonsequent. Die Bekämpfung von Systemen, die auf Ungleichheit aufgebaut sind und diese reproduzieren muss Hand in Hand gehen mit der Bekämpfung der Ideologien, die diese Systeme stabilisieren. So ist zum Beispiel für den Kampf um mehr Regulation des neoliberalen Kapitalismus und für eine Verbesserung der sozialen Lage eine umfassende Kritik des Neoliberalismus als Ideologie notwendig; genauso ist für feministische Kämpfe die Dekonstruktion von Geschlechterrollenbildern zentral.
Genau wie wir an alle Menschen appellieren, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, wollen wir die Universität so ausgestalten, dass sie ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrnimmt. Das bedeutet gleichzeitig, die materiellen und ideellen Bedingungen für ihre Mitglieder zu schaffen, dies tun zu können. Das gelingt insbesondere durch emanzipatorische Bildung und kritische Wissenschaft, also gemeinschaftliche Analyse und Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse sowie Entwicklung von Alternativen. Dazu gehört auch, dass die Hochschule kein elitäres Selbstverständnis hat und niemandem das Studium, durch Nichtzulassung oder indirekt durch widrige Studienbedingungen, verwehren sollte. Diese Auseinandersetzung insbesondere auch an der Universität zu führen halten wir für wichtig, weil der Universität eine gesellschaftliche Vorbildfunktion innewohnt. Außerdem muss Bildung unserer Auffassung nach aufklärerisch und damit zur politischen Verantwortungsübernahme befähigend wirken: Wissenschaft ist dem Wahrheitsanspruch zur gesellschaftlichen Verbesserung verpflichtet, der Aufklärung gegen Mystifizierung und Ideologien der Ungleichheit bedeutet.
Für Freiheit, Gleichheit, Solidarität!