CampusGrün Hamburg

Tätiges Erinnern an Johann Georg Elser

Flugblatt des Ausschuss gegen Rechts:

Veranstaltungstipp: ALLEIN GEGEN HITLER - GEORG ELSER: Ein Held ohne Lobby
Jens Harzer (Thalia) liest aus den Verhörprotokollen.
Am 08.11.18 in Hamburg, Uebel & Gefährlich – Ballsaal, Eintritt: 8€



„Ich war bereits voriges Jahr um diese Zeit der Überzeugung, dass es bei dem Münchener Abkommen nicht bleibt, dass Deutschland anderen Ländern gegenüber noch weitere Forderungen stellen und sich andere Länder einverleiben wird und dass deshalb ein Krieg unvermeidlich ist, d. h. ich hatte die Vermutung, dass es so kommen wird. Dies war meine eigene Auffassung. Ich kann mich nicht erinnern, dass Arbeitskameraden nach dem Abkommen von München 1938 noch von einer weiteren Kriegsgefahr sprachen. Ich gebe allerdings zu, dass ich in dieser Zeit ausländische Radiosendungen gehört habe.“ – Berliner Verhörprotokoll vom 21. November 1939

Am 8.11.1939 führte der schwäbische Kunstschreiner Georg Elser im Münchener Bürgerkeller ein Attentat gegen Hitler aus, das nur knapp scheiterte. Es sollte das erste versuchte Attentat gegen Hitler sein. Anders als bei dem von Militärs durchgeführten Attentat von 20. Juli 1944 handelte Elser ohne persönliche, elitäre Machtansprüche.

Johann Georg Elser wurde 1903 in Königsbronn geboren und war als gelernter Schreiner nach wiederkehrender, durch die Wirtschaftskrise bedingter Arbeitslosigkeit in verschiedenen Betrieben in der schwäbischen Alp tätig. Elser setzte sich schon früh mit den Bedingungen der Arbeiter*innenschaft auseinander und trat 1928 dem Roten Frontkämpferbund, der paramilitärischen Organisation der KPD, bei. Auch wenn er sich in dieser nie wirklich aktiv engagierte, war Elser ein überzeugter Wähler der KPD und war von Beginn an Gegner des deutschen Faschismus. So soll er den Hitlergruß verweigert und bei Radioübertragungen von Hitlers Reden den Raum verlassen haben. Obwohl Frankreich und England dem Völkerrecht zum Trotz auf der Münchener Konferenz den territorialen Forderungen der sogenannten „Sudetenfrage“ Hitlers an der Tschechoslowakei hinnahmen, befürchtete Georg Elser bereits früh einen bevorstehenden Krieg und fühlte dies durch den Überfall auf Polen durch die Wehrmacht am 1. September 1939 bestätigt. Elser sah von nun an eine dringende Notwendigkeit, entschlossen der Barbarei des NS-Staats entgegen zu treten, um so den Krieg und ein weiteres Blutvergießen zu verhindern.

Von diesem Zeitpunkt an plante Elser ein Jahr lang akribisch das Attentat auf Hitler. Als Ort hatte er schon bald den Bürgerkeller in München ausgewählt, in dem seit dem gescheiterten Putsch von 1923 alljährlich in einer pseudoreligiösen Verbrämung der Putschversuch als große Heldentat stilisiert wurde. Nach langer Planung konstruierte Elser schließlich mit Sprengstoff, den er sich bei seiner Arbeit in einem Steinbruch beschafft hatte, und zwei Uhrwerken einen Sprengkörper, welchen er in einer aufwändig präparierten Säule neben Hitlers Rednerpult deponierte. Allein der Umstand, dass Hitler und mit ihm weitere wichtige Parteifunktionäre 20 Minuten früher den Saal verließen, um in Berlin Vorkehrungen für den „Fall Gelb“, den Angriff des Westens, zu treffen, ließ den Plan scheitern.

Es gab verschiedene Gründe, weshalb Menschen in den Widerstand zu dem deutschen Faschismus traten. Der Kreis um Claus Schenk von Staufenberg entstammte der deutschen Elite und besetzte wichtige Positionen im Militär und der Außenpolitik. Viele Mitglieder seines „Widerstandskreises“ waren von Anfang an in der NSDAP aktiv und begrüßten auch die Machtergreifung Hitlers. Die Motive des militärischen Widerstands waren daher keineswegs vordergründig den Faschismus oder den Krieg zu beenden, sondern galten vielmehr eigenen Machtinteressen, zu deren Zweck „Hitler wie ein toller Hund abgeschossen werden müsse“. Ebenso hatten diese Militärs auch keine demokratische Verfassung vor Augen, sondern glaubten an die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung von gegebenen autoritären Strukturen.

Im Gegensatz dazu war Georg Elser von dem Unrecht und der Menschenverachtung des NS-Regimes überzeugt und sah schon früh dessen Verbrechen. Er erkannte als Einzelperson die Brutalität des NS-Regimes. Daraus leitete er die Notwendigkeit, Verantwortung zu übernehmen, sowie die humanistische Verpflichtung Widerstand zu leisten ab. Wie das 1964 entdeckte Verhörprotokoll der Gestapo zeigt, ließ sich Elser nicht von der demagogischen NS-Propaganda blenden. Er sah die kontinuierliche Verschlechterung der sozialen Lage der Arbeiter*innen im NS Staat, die Gleichschaltung und die systematische Ausschaltung der Menschenrechte durch das Regime.

„Nach meiner Ansicht haben sich die Verhältnisse in der Arbeiterschaft nach der nationalen Revolution in verschiedener Hinsicht verschlechtert. […] Ferner steht die Arbeiterschaft nach meiner Ansicht seit der nationalen Revolution unter einem gewissen Zwang. Der Arbeiter kann z. B. seinen Arbeitsplatz nicht mehr wechseln wie er will, er ist heute durch die HJ. nicht mehr Herr seiner Kinder und auch in religiöser Hinsicht kann er sich nicht mehr so frei betätigen.“

Elser hatte den Mut und den unbedingten Willen dem Bösen entgegenzutreten. Er nahm dafür große Gefahren in Kauf und wählte zum Schutz seines sozialen Umfelds die fast vollständige Isolation.

Kurz nach der Detonation begann die Gestapo mit der Suche nach dem*der Täter*in und schon sehr bald kam der an der schweizerischen Grenze als mutmaßlicher Deserteur Gefasste in das Visier der Fahnder*innen. Elser wurde in München von der Gestapo verhört und gefoltert. Das Geständnis Elsers nutzten die Demagogen der NS-Propaganda, um Georg Elser als „Werkzeug des britischen Geheimdienstes“ darzustellen und das Überleben Hitlers als „Vorsehung“ zu stilisieren. Nach einem Schauprozess vor dem Volksgericht wurde Elser mehr als fünf Jahre in Isolationshaft in den KZ Sachsenhausen und Dachau gefangen gehalten. Am 9. April 1945, 20 Tage vor der Befreiung des Konzentrationslagers, wurde Georg Elser in Dachau ermordet.

Anders als Claus Schenk von Stauffenberg, welcher 1952 rehabilitiert und dessen Tat als anerkanntes Widerstandsrecht angesehen wurde, schenkte man Elser in der Bundesrepublik keine Beachtung und verunglimpfte ihn nach wie vor als „Verräter“. Häufig durch bewusst aufrechterhaltende Gerüchte der Nazi Zeit diffamiert, passte Elser als kommunistischer Widerstandskämpfer nicht in das Weltbild des Kalten Krieges. Der Historiker Hellmut G. Haasis trifft den Kern, als er ihn als „einen Mann ohne gesellschaftliche und politische Legitimation“ beschreibt. Elser fehlte verglichen zu Stauffenberg als einfacher Arbeiter „der richtige Stallgeruch, eine vorzeigbare Verwandtschaft, blaues Blut, Abitur und das zweite juristische Staatsexamen“. Diese bewusst anti-kommunistische Geschichtsschreibung der Bundesrepublik konnte erst durch jahrelange Arbeit von Historiker*innen gewendet werden, sodass Georg Elser seit den 1980er Jahren endlich als Widerstandkämpfer die gebührende Anerkennung zu Teil wurde.

Johann Georg Elser, der jahrzehntelang zu Unrecht verschwiegen, verdrängt und vergessen wurde, ist ein Held unserer Zeit, denn er hatte den grenzenlosen Mut und die Handlungsbereitschaft, dem Bösen entgegen zu treten und zu zeigen, dass die Barbarei des NS-Staats nicht alternativlos war.

Im Gedenken an Georg Elser: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!