CampusGrün Hamburg

CampusGrün Hamburg lehnt den Koaltionsvertrag zwischen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP ab.

Den nachfolgenden Text haben wir als CG Hamburg bei der letzten BMV (Bundesmitgliederversammlung aller grün-alternativer Hochschulgruppen) als Beschlussvorlage (bzw. Antrag) eingebracht. Leider wurde diese durch zahlreiche Änderungsanträge, die mithilfe autoritär genutzter Geschäftsordnungsanträge nicht zur Diskussion standen, stark modifiziert (so, dass er den Koalitionsvertrag nur noch an einigen Stellen kritisierte, ihn jedoch nicht mehr ablehnte). So stark also, dass wir uns final dazu gezwungen sahen, uns als Antragssteller*innen offiziell vom Antrag zu distanzieren und ihm unsere Zustimming zu verweigern. Trotzdem wollen wir die ursprüngliche Variante an dieser Stelle nun noch einmal veröffentlichen und für evtl. Interessierte einsehbar und diskutierbar machen:

"Als Bundesverband grün-alternativer Hochschulgruppen können wir es nicht unkommentiert billigen, wenn der gemeinsame Koalitionsvertrag von Bündnis 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP das faktische Aufgeben des 1,5°-Ziels [0], Exzellenzuniversitäten, Rückführungsoffensiven, Schuldenbremse, HartzIV, eine Absage an notwendige Umverteilung und absolute Ignoranz in der Mietenfrage beinhaltet. Deshalb lehnen wir den Koaltionsvertrag ab.

Entgegen der in der Öffentlichkeitsarbeit von Bündnis 90/DIE GRÜNEN sowie der veröffentlichten Meinung herrschenden Deutung der Wahlergebnisse (bzw. insbesondere des zwischenzeitlichen grünen Umfragehochs) wissen wir: Die Zustimmung zu den GRÜNEN hat wenig mit den politischen Schaukämpfen der Parteieliten zu tun, sondern ist der in den letzten Jahren starken Ökologiebewegung (v.a. FFF und den Waldbesetzungskämpfen) zu verdanken. Und auch, wenn die GRÜNEN schon längst keine Partei mehr mit Verwurzelung in den sozialen Bewegungen sind, wäre es absolut notwendig gewesen, diesen gesellschaftlichen Druck parlamentarisch abzusichern. Einer stärkeren Priorisierung der ökologischen Frage standen auch die möglichen Spitzenkandidatinnen im Weg: Eine Außenpolitikerin und ein liberaler Philosoph sind leider keine besonders authentischen Protagonistinnen in einem Klimawahlkampf. Ironischerweise hat damit gerade der Kanzlerinnenamtswahlkampf die Möglichkeiten auf das Kanzlerinnenamt verbaut. Aber auch im Anschluss wäre wenigstens noch Schadensbegrenzung möglich gewesen: Die GRÜNEN hätten - anstatt mit SPD und FDP auf Kuschelkurs zu gehen - frühzeitig klarmachen müssen, dass eine Koalition, die das 1,5°-Ziel nicht halten kann, ausgeschlossen ist.

Diese taktischen Fehler rächen sich jetzt:

Im Koalitionspapier wird ausdrücklich vermieden, der Klimakrise den Kampf anzusagen. So ist "idealerweise" (also: nicht verpflichtend) ein Kohleausstieg bis 2030 geplant, gleichzeitig soll die schädliche Erdgasinfrastruktur ausgebaut werden. Des Weiteren ist kein Ausstieg aus dem Verbrennermotor bis 2030 vorgesehen, kein Ende klimaschädlicher Milliardensubventionen, kein Tempolimit - und eine angestrebte Klimaneutralität ab 2045 ist viel zu spät. Hinzu kommt, dass selbst die wenigen Ziele mit dem Festhalten an der Schuldenbremse nur schwer verwirklicht werden können. Vor diesem Hintergrund stimmen wir Fridays For Future zu, wenn sie sagen: »Mit ihren vorgelegten Maßnahmen entscheiden sich die drei Parteien bewusst für eine weitere Eskalation der Klimakrise« (Spiegel). Auch in unserem Grundsatzprogramm stellen wir uns gegen jenes "Propagieren einer sog. green economy" als Stütze der "vorherrschenden kapitalistischen Verwertungslogik", wie sie die Ampel anstrebt.

Aber auch die vor allem vom "Realo"-Flügel propagierte Logik, dass das Verhandlungsergebnis insgesamt stimmen müsse und 'rote Linien' dafür schädlich seien, blamiert sich an der Realität. Dies wollen wir neben der bereits ausgeführten ökologischen Frage an einigen weiteren Aspekten deutlich machen:

  1. Wissenschaft. Die Regierungskoalition möchte den Wissenschaftsstandort "wettbewerbsfähiger" machen. Dafür werde sie die "bewährte Exzellenzstrategie" an Hochschulen mit neuen Clustern weiterführen (während die Grundfinanzierung um nur 0,3 Prozent steigen soll, was noch nicht mal der Inflationsrate gerecht wird). Auch solle das "soziale Unternehmertum" an Hochschulen gefördert werden. Diese Maßnahmen treiben die konkurrenzbehaftete Neoliberalisierung der Hochschulen noch weiter als bisher voran - und sind somit nicht in Einklang mit unserem Grundsatzprogramm zu bringen. Dieses sieht "Wissenschaft und Forschung dem Gemeinwohl verpflichtet" wofür es eine ausreichende "Grundfinanzierung" als notwendig erachtet. Damit lehnt es "Profitinteressen" sowie der "Wettbewerbsorientierung" ab.

  2. Soziales. Die Besitzenden können aufatmen: sie werden genauso geringe Steuern wie bisher zahlen, wodurch das Vermögen der Reichen immer weiterwächst. Währenddessen soll der Mindestlohn einmalig (um einen Euro mehr als ohnehin schon geplant war) steigen. Von den neuen Wohnungen, die gebaut werden sollen, werden nur 1/4 als Sozialwohnungen geplant - und der Rest für den freien Markt verfügbar gemacht wird. Das HartzIV-Konzept ändert sich nur minimal, trägt jetzt jedoch den hippen Namen "Bürgergeld". Das Pflegepersonal bekommt einen einmaligen Zuschuss - "höhere Löhne" sind zwar erwähnt, aber nicht wann und in welchen Dimensionen. Umverteilung/Enteignung mit dem Ziel einer "freie[n] und solidarische[n] Gesellschaft", wie wir sie anstreben, sieht anders aus!

  3. Internationalismus. Laut Vertrag soll vorrangig eine »Rückführungsoffensive« (sprich: Abschiebungen) gestartet werden. Außerdem sei "reguläre Migration zu befürworten". Demnach wird Flucht nicht als "regulär", also als abzulehnen verortet. Eine offene, internationale "Willkommenskultur" sieht anders aus. Auch wolle man die Bewaffnung der Bundeswehr mit Drohnen ermöglichen. Der Sicherheitsstaat Deutschland wird ausgebaut und somit solidarischen internationalen Kooperationen den Kampf angesagt. Dementgegen vertreten wir den Grundsatz, dass "eine Rückkehr zur Isolation und Nationalismus [...] lediglich von Problemen ab[lenkt] und [...] diese nur noch größer werden [lässt]". Stattdessen müsse "allen Menschen [...] die Mitgestaltung dieser Gesellschaft ermöglich[t]" werden.

An diesen ausgewählten Kritikpunkten wird bereits deutlich, dass vom Vorsatz der Ampel "das Land besser zu machen" (Scholz) der Großteil der Gesellschaft (national sowie international) nicht profitieren wird. Dabei wollen wir selbstverständlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser auch manche Erfolge birgt (bspw. Wahlalter ab 16, Cannabis-Legalisierung, Abschaffung des Transsex.-Gesetz, Abschaffung §219a). Diese progressiven Elemente dürfen jedoch nicht dafür genutzt werden, die schädlichen Seiten der Koalition in den Hintergrund zu drängen. Was uns bleibt, ist also - genau wie zu Zeiten der GroKo - jeden kleinsten Unterdrückungsmechanismus der Regierenden zu kritisieren und mögliche Alternativen zu diesen aufzuzeigen. In und mit diesem Vorhaben wollen wir auch "Bewegungen von unten" stützen!"

[0] https://www.tagesschau.de/investigativ/swr/studie-klimaziele-ampel-101.html