CampusGrün Hamburg

Schulreform in Hamburg und ihre Bedeutung für Universität

Die Schulverbesserer

Die angestrebte Schulreform in Hamburg stößt auf Widerstand. Die Initiative „Wir wollen lernen!“ veranlasste ein erfolgreiches Volksbegehren gegen die Reformpläne der schwarz-grünen Regierung. Bevor es zu einem rechtsverbindlichen Volksentscheid in der Hansestadt kommt, wollten Regierung und Initiative sich um eine Kompromisslösung bemühen. Doch Anfang Februar scheiterte die sechste Verhandlungsrunde an dem Widerstand der Initiative. Beide Seiten bereiten sich ende Februar auf den Volksentscheid vor und werben für ihre Position. Es wird in diesem Sommer in der Hansestadt um nichts weniger als eine Richtungsentscheidung in der schulischen Bildung gehen.

In der bisherigen Praxis werden SchülerInnen in Hamburg nach der vierten Klasse in drei unterschiedliche Schulformen aufgeteilt. Der Abschluss auf einer Hauptschule, Realschule oder dem Gymnasium bestimmt in den meisten Fällen den weiteren Lebensweg der Jugendlichen. Die Empfehlungen der KlassenlehrerInnen nach der vierten Klasse sind unverbindlich. Durch das Elternwahlrecht konnten SchülerInnen auch für sie nicht empfohlene Schulformen besuchen. Die Zeugniskonferenz am Ende der sechsten Klasse bestimmte unter Einbezug der Eltern, ob die Schulform gegebenenfalls verlassen werden musste.

Die Schulreform in Hamburg sieht vor, dass unter dem Schlagwort „längeres gemeinsames Lernen“ die Grundschule zur Primarschule wird, somit SchülerInnen gemeinsam bis zur sechsten Klasse im Klassenverband verbleiben. Erst danach entscheidet sich der weitere Schulbesuch entweder mit dem Verbleib auf einer Stadtteilschule oder dem Wechsel zum Gymnasium. Umstritten ist dabei die Verbindlichkeit der Empfehlung der KlassenlehrerInnen. In beiden Schulformen ist das Abitur entweder in sieben oder sechs Jahren möglich. In beiden Schulformen können SchülerInnen mit den Abschlüssen der Hauptschule oder der Realschule bereits vorher die Schule verlassen. Sowohl das Sitzenbleiben als auch das Abschulen wird nach den Reformplänen nicht möglich sein.

„Omnes omnia omnio docere“! „Alle alles ganz zu lehren “, diesem alten Wort Johann Amos Comenius (1592-1670) wird mit der Reform neuen Aufwind gegeben. Lautete die dominante Kritik seit PISA am dem deutschen Bildungssystem, dass der schulische Erfolg insbesondere von der sozialen Herkunft des Elternhauses abhängig ist, wird mit der Reform der Schulstruktur diesem Problem entgegen gewirkt. Zudem geht die Strukturreform Hand in Hand mit einer inhaltlichen Reform, die bei der Qualität des Unterrichts ansetzt. Individuelle Rückmeldungen über den Leistungsstand der SchülerInnen, das Unterrichten in Teams, vielfältiger Angebote, kleinere Klassen und jahrgangübergreifendes Lernen sind einige der Merkmale der Reform.

Im Kern steht der Gedanke einer größeren Bildungsgerechtigkeit. Das längere gemeinsame Lernen in der Primarschule soll den Kindern und Jugendlichen mehr Raum für ihre persönliche Entfaltung eröffnen und die Stadtteilschule nicht die Möglichkeit des Abiturs verwehren. Es ist daher zu hoffen, dass individuelle Potenziale besser erkannt und ausgebaut werden. Das heißt, dass mehr Jugendliche einen Lebensweg finden und einschlagen, in dem sie sich verantwortungsvoll selbst verwirklichen können und das heißt auch, dass mehr Jugendliche mit dem Abitur die Schule abschließen können.

Universitäten müssen auf das Ziel hinwirken, größere Bildungsgerechtigkeit herzustellen. Es ist damit zu rechnen, dass weit mehr Kapazitäten als bisher benötigt werden. Es gilt nicht nur ausreichend Angebote für AbiturientInnen zu schaffen, sondern sich auch für jene stärker zu öffnen, die ohne das Abitur die Schule abgeschlossen haben. Tatsächlich schrecken Gebühren und die hohen Kosten für die Lebenshaltung viele vor der Aufnahme eines Studiums ab. Unflexible Studienstrukturen verschärfen das Problem. Und tatsächlich sind sie Zahlen der Studierenden in der Universität Hamburg in den letzten Jahren rückläufig. Größere Bildungsgerechtigkeit kann nur entstehen, wenn diese Hemmnisse abgebaut werden. Denn was mit der Schulreform in Hamburg eingeleitet werden soll, muss sich auch in der Universität fortsetzen. Die Einrichtung muss dem Individuum Möglichkeit und Gelegenheit geben, eigene Fähigkeiten und Fertigkeiten zu entdecken und verantwortungsvoll zu entwickeln.

Zudem haben sich Anforderungen in Berufen geändert. Neue Berufe und Berufsbilder sind entstanden und andere Berufe existieren nicht länger. Daher wird Universität eine zentrale Rolle in der Gesellschaft einnehmen, die die laufenden Transformationsprozesse in der Arbeitswelt begleitet, indem das Individuum sich in der Universität eigenständig darauf vorbereitet.

Bisher sortiert Schule frühzeitig und SchülerInnen lernen, dass ihr weiterer Lebensweg zunehmend auf immer weniger Möglichkeiten beschränkt wird. Manche unter ihnen verlieren den Antrieb ihren eigenen Weg zu finden. Doch selbstbewusste und verantwortungsvolle SchulabsolventInnen werden die Gesellschaft um ihre Kreativität und Tatendrang bereichern, wenn ihnen nicht verwehrt wird ihre Potenziale zu erschließen. Ob auf dem Gymnasium oder auf der Stadtteilschule gilt es daher Talente zu entdecken und zu fördern.